Wird die Ampelregierung zum Totengräber für die kleine Wasserkraft?

16. Mai 2022 | Pressemitteilung

Knapp 40 Verbände aus der Energie- und Wasserwirtschaft protestieren mit einer gemeinsamen Erklärung gegen die von der Ampelregierung geplanten Verschlechterungen für die Wasserkraft im EEG 2023.

Für die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes hat der zuständige Bundestagsausschuss für Klimaschutz und Energie für Montag, 16. Mai, zu einer Sachverständigen-Anhörung eingeladen. Dabei steht auch die vom Bundeskabinett geplante ersatzlose Streichung für die Förderung kleiner Wasserkraftanlagen bis zu 500 Kilowatt Leistung auf der Tagesordnung. Nach dem Gesetzentwurf soll zudem der Erhalt der EEG-Vergütung an sogenannte wasserwirtschaftliche Vorgaben geknüpft werden und der Ausbau der Wasserkraft – im Gegensatz zur Wind- und Solarenergie – nicht im überragenden öffentlichen Interesse stehen.

Gegen diesen Plan wächst nicht nur der Widerstand in immer mehr Bundesländern, sondern auch in der Energie- und Wasserwirtschaft sowie bei den Vereinen, die sich für den Erhalt und die Nutzung historischer Wassermühlen einsetzen. Dazu zählt auch der gemeinsame und in dieser Form umfangreichste Protest von 39 Verbänden und Organisationen, die sich in einer Erklärung gegen die existenzbedrohende Benachteiligung der regenerativen Wasserkraftanlagen im EEG 2023 wehren und eine komplette Streichung der umstrittenen Neuregelungen fordern.

In der Erklärung, die vom Landesverband Erneuerbare Energien NRW (LEE NRW) und dem Bundesverband Deutscher Wasserkraftwerke (BDW) mitinitiiert worden ist, heißt es u.a.: „Die Auswirkungen [der geplanten Gesetzesnovelle] sind erheblich, da sie einen Großteil der Wasserkraftstandorte betreffen würden. Rund 90 Prozent der Wasserkraftanlagen haben eine Leistung unter 500 kW.“

Reiner Priggen, Vorsitzender des LEE NRW, zeigt sich enttäuscht vom vorliegenden Kabinettsentwurf: „Die völlig unerwartete Neuausrichtung der Wasserkraftförderung passt überhaupt nicht in die Zeit, in der jede regenerative Kilowattstunde zählt, um die Importabhängigkeit im Energiesektor zu senken. Sollte die komplett fehlgeleiteten Änderungen nicht rückgängig gemacht werden, droht der mittelständischen Wasserkraft hierzulande mittelfristig das Aus.“

Für den LEE-Vorsitzenden ist nicht nur die Förderkappung bei 500 Kilowatt „absolut willkürlich und nicht nachvollzierbar§, sondern auch die Verknüpfung mit den gewässerökologischen Anforderungen nicht sachgerecht: „Die Auswirkungen einer Wasserkraftanlage auf die Gewässerökologie lassen sich nur am jeweiligen Standort und stets im Einzelfall beurteilen. Diese möglichen Folgewirkungen werden bereits von den zuständigen Wasserbehörden über das Wasserhaushaltsgesetz geprüft und bewertet. Deshalb hat dieses Kriterium im EEG nichts zu suchen.“ Bei keinem anderen regenerativen Energieträger werde die Erfüllung naturschutzrechtlicher Anforderungen an die Vergütung im EEG verknüpft. Priggen: „Dies ist eine Fehlentwicklung bei der Wasserkraft, die sachlich nicht hinnehmbar und völlig fehlgeleitet ist.“

Diese Einschätzung teilt Dr. Helge Beyer. Der BDW-Geschäftsführer betont, dass die EU-Richtlinie für Erneuerbare Energien ausdrücklich auch kleine Anlagen in das Gesamtkonzept einer Förderung Erneuerbarer Energien mit einbezieht. „Dabei wird die Wasserkraft weder als Ganzes noch werden Anlagen unterhalb einer bestimmten installierten Leistung ausgenommen. Auch kleinere Wasserkraftanlagen bieten durch ihre dezentralen Erzeugungsstrukturen auf lokaler Ebene Versorgungssicherheit. Allein die Menge des erzeugten Stroms ist danach nicht der alles entscheidende Faktor. Die Energiewende verlangt eine Diversifizierung und Dezentralisierung der Erzeugungsstrukturen. Da darf die Wasserkraft nicht fehlen.“

Um den Bestand zu sichern sowie die Modernisierung und den Ausbau von Wasserkraftwerken als stetigen, gut planbaren Energieträger, der zur Netzstabilität und Versorgungssicherheit beiträgt, zu ermöglichen, fordern LEE NRW und BDW gemeinsam mit den anderen Verbänden und Organisationen:

  • das überragende öffentliche Interesse auch für die Wasserkraft anzuerkennen,
  • die unnötigen Verknüpfungen von Förder- (EEG) und Fachrecht (WHG) inklusive der zusätzlichen Sanktionsregelungen rückgängig zu machen,
  • den Förderstopp für kleine Wasserkraftanlagen (< 500 kW) komplett zu revidieren,
  • und stattdessen die Modernisierung von Bestandsanlagen und den gewässerverträglichen Aus- und Neubau an bereits bestehenden Querbauwerke zu fördern.

Die Empfehlung von Dr. Helge Beyer an alle Abgeordnete im Ausschuss für Klimaschutz und Energie lautet: „Nicht nur der Ausbau der Wind- und Solarenergie liegt im überragenden öffentlichen Interesse, wie es die EEG-Novelle endlich vorsieht, sondern auch der Ausbau der Wasserkraft aller Leistungsklassen.“

Gemeinsame Erklärung „Keine Diskriminierung der regenerativen Wasserkraftanlagen im EEG 2023“ (Kurzfassung)

Gemeinsame Erklärung „Keine Diskriminierung der regenerativen Wasserkraftanlagen im EEG 2023“ (Langfassung)

Unterstützende Verbände und Organisationen (alphabetisch):

  • Arbeitsgemeinschaft Hessischer Wasserkraftwerke
  • Arbeitsgemeinschaft Mühlenstraße Oberschwaben e.V.
  • Arbeitsgemeinschaft Thüringer Wasserkraftwerke e.V.
  • Arbeitsgemeinschaft Wasserkraftwerke Baden-Württemberg e.V. (AWK BW)
  • Arbeitsgemeinschaft Wasserkraftwerke Niedersachsen und Schleswig-Holstein e.V.
  • Arbeitsgemeinschaft Wasserkraftwerke NRW e.V.
  • Arbeitsgemeinschaft Wasserkraftwerke Rheinland-Pfalz u. Saar e.V.
  • Arbeitsgemeinschaft Wasserkraftwerke Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern e.V.
  • Bayerischer Müllerbund e.V.
  • Bundesverband Deutscher Wasserkraftwerke (BDW) e.V.
  • Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. (BEE)
  • European Renewable Energies Federation (EREF)
  • EUROSOLAR e.V.
  • Familienbetriebe Land und Forst NRW e.V.
  • Großabnehmerverband Energie Baden-Württemberg e.V.
  • Hessischer Landesverein zur Erhaltung und Nutzung von Mühlen e.V.
  • Industrie – Wasser – Umweltschutz e.V.
  • Interessengemeinschaft Wasserkraft Baden-Württemberg e.V.
  • Interessengemeinschaft Wasserkraft Fulda/Rhön
  • Interessengemeinschaft Wassernutzung NRW
  • Landesverband Bayerischer Wasserkraftwerke eG
  • Landesverband Erneuerbare Energie Rheinland-Pfalz/Saarland e.V.
  • Landesverband Erneuerbare Energie Sachsen-Anhalt e.V.
  • Landesverband Erneuerbare Energien Hessen (LEEH) i.G.
  • Landesverband Erneuerbare Energien Niedersachsen-Bremen e.V.
  • Landesverband Erneuerbare Energien NRW e.V.
  • Landesverband Erneuerbare Energien Sachsen e.V.
  • Mitteldeutscher Müllerbund e.V.
  • Mühlenvereinigung Berlin-Brandenburg e.V.
  • Mühlenvereinigung Niedersachsen-Bremen e.V.
  • Plattform Erneuerbare Energien Baden-Württemberg e.V.
  • Rheinisches Mühlen-Dokumentationszentrum e.V. (RMDZ)
  • Sächsischer Mühlenverein e.V.
  • Sächsischer Müllerbund
  • Thüringer Erneuerbare Energien Netzwerk (ThEEN) e.V.
  • VEE Sachsen e.V.
  • Verband der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft e. V. – VBEW
  • Verband für Energie- und Wasserwirtschaft Baden-Württemberg e.V. – VfEW
  • Vereinigung Wasserkraftwerke in Bayern e.V.
  • Wasserkraftverband Mitteldeutschland e.V.