Landesweit sind 2023 nur drei Wasserkraftanlagen neu in Betrieb gegangen. Der Landesverband Erneuerbare Energien NRW sieht die Wasserkraft deshalb zunehmend auf das Abstellgleis geschoben.

Ein Ausbau der Wasserkraft findet in Nordrhein-Westfalen nicht mehr statt. Im vergangenen Jahr sind landesweit drei Anlagen mit zusammen 725 Kilowatt Leistung neu ans Netz gegangen, wie eine vom Landesverband Erneuerbare Energien NRW (LEE NRW) vorgenommene Auswertung des Marktstammdatenregisters zeigt*. Die größte dieser drei Anlagen mit einer Leistung von 575 kW hat der Wupperverband im vergangenen Jahr an der Wupper-Talsperre in Radevormwald (Oberbergischer Kreis) in Betrieb genommen.

„Bei solchen Zahlen verbietet es sich von Ausbau zu sprechen“, kommentiert Hans-Josef Vogel, Vorsitzender des Landesverbandes Erneuerbare Energien NRW (LEE NRW). Im Wasserkraftsektor setzt sich damit die unbefriedigende Entwicklung der zurückliegenden Jahre fort: Im letzten Jahrzehnt gab es bei der installierten Wasserkraft-Leistung im Land ein Plus von deutlich unter zehn Megawatt. Für Vogel ein Unding: „Nordrhein-Westfalen wäre nicht das Industrieland, das es heute ist, wenn es zu Beginn der Industrialisierung nicht die Wasserkraft gegeben hätte.“

Dabei lägen die Vorteile der Wasserkraft, ihre stetige und gut planbare Verfügbarkeit bei dezentralen Projekten mit hoher Netzverträglichkeit, nach wie vor auf der Hand. Wasserkraftanlagen sind außerdem heute nachhaltig und fischfreundlich, sie genießen vor Ort hohe Akzeptanz. „Wenn ein regenerativer Energieträger für die Stromerzeugung im öffentlichen Interesse liegt und der öffentlichen Sicherheit dient sowie als „vorrangiger Belang“ bei allen Abwägungen zu beachten ist, wie es das Erneuerbare-Energien-Gesetz für alle erneuerbaren Energien festlegt, dann die Wasserkraft – und zwar unabhängig davon wie groß ihr Beitrag zur Energiewende ist. Wir brauchen alle Erneuerbaren, wie es das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat“, betont LEE NRW-Vorsitzender Vogel.

Diese Neubewertung der Wasserkraft ist bei den Genehmigungsbehörden im Land noch nicht angekommen, bedauert der LEE NRW. „Die gesetzliche Bearbeitungsfrist für die Genehmigung beträgt abhängig von der Anlagengröße zwischen ein und zwei Jahren. Es ist aber ein Unding, dass potenzielle Investoren in NRW nach wie vor ein Jahrzehnt und länger auf die behördliche Zustimmung warten“, stellt LEE NRW-Vorsitzender Vogel fest.

Von der Landesregierung erwartet der LEE NRW deshalb endlich klare Weisungen an die Wasserbehörden zu erteilen und die vorhandenen Potenziale für die Wasserkraftnutzung anzupacken. Von diesen Potenzialen gibt es reichlich im Land – und zwar:

• Das am effizientesten und schnellsten nutzbare Potenzial liegt in der Modernisierung beziehungsweise im Repowering bestehender Standorte. Durch einfache Maßnahmen (z.B. Austausch von Getriebe oder Generator, Einbau einer intelligenten Steuerungstechnik) können die Stromerträge bestehender Anlagen kurzfristig durchschnittlich zwischen 20 bis 25 Prozent gesteigert werden.

• Ein weiteres Potential liegt im Neubau von Anlagen an bereits bestehenden Staustufen in den Gewässern; landesweit gibt es über 13.000 Querbauwerke. Mit den bestehenden rund 480 Anlagen wird nur an knapp vier Prozent der Querverbauungen in den NRW-Gewässern die Wasserkraft genutzt. Viele Querbauwerke können aus Gründen des Hochwasserschutzes oder der Gewässerregulierung nicht entfernt werden. Eine Nutzung dieser Wehre durch die Wasserkraft bei gleichzeitiger Herstellung der ökologischen Durchgängigkeit bietet sich daher an.

• Zusätzliche Potenziale für die Wasserkraft bestehen an den Talsperren. In NRW gibt es insgesamt 81 Talsperren, im bundesweiten Vergleich ist das der Spitzenwert. Derzeit wird die Wasserkraft an knapp 40 dieser Talsperren genutzt. Im Koalitionsvertrag der beiden Regierungsparteienheißt es: „Unser Ziel ist es, an möglichst allen bestehenden Talsperren die Kraft des Wassers für die Energieversorgung nutzbar zu machen.“ Bislang ist es bei dieser Ankündigung geblieben.

LEE NRW-Vorsitzender Vogel: „Das Industrieland NRW muss auf Wind- und Solarenergie setzen, für viele dezentrale Vorhaben vor Ort ist auch die Wasserkraft eine sehr gute und zuverlässigste Lösung, um grünen Strom zu erzeugen.“

Wasserkraft-Ausbaubilanz 2023:
1. Neubau einer Wasserkraftschnecke am Stauwehr eines Wasserkraftwerkes in Fröndenberg: 132 kW
2. Erweiterung des bestehenden Kraftwerksstandortes an der Wupper-Talsperre in Radevormwald: 575 kW
3. Installation einer privaten Klein-Turbine in Hemer: 18,5 kW

### Eine Pressemitteilung des Landesverbands Erneuerbare Energien NRW ###