EEG-Novelle: Kleine Wasserkraft vor dem Aus

19. April 2022 | Pressemitteilung

Als für die Wasserkraft „völlig fehlgeleitet“ bewertet der Landesverband Erneuerbare Energien NRW (LEE NRW) den vorliegenden Kabinettsentwurf der Bundesregierung zum Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Demnach sollen ab nächstem Jahr Wasserkraftanlagen bis zu 500 Kilowatt (kW) Leistung nicht mehr gefördert werden – und zwar ersatzlos.

Dieses Förderaus betrifft neben neuen Anlagen auch bestehende Wasserkraftwerke dieser Leistungsklasse, die modernisiert, sprich deren Leistungsvolumen erhöht werden soll. „Diese völlig unerwartete Neuausrichtung der Wasserkraftförderung passt überhaupt nicht in die Zeit, in der jede regenerative Kilowattstunde zählt, um die Importabhängigkeit im Energiesektor zu senken“, betont LEE NRW-Vorsitzender Reiner Priggen, „sollte es im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren nicht gelingen, diese Änderungen rückgängig zu machen, droht der kleineren Wasserkraft hierzulande mittelfristig das Aus.“

Denn von den bundesweit circa 7.300 Wasserkraftwerken haben rund 90 Prozent eine Leistung von weniger als 500 kW, in NRW liegt deren Zahl bei rund 380 Anlagen. Nach vorliegenden Statistiken versorgen allein die kleinen Wasserkraftwerke mehr als eine Million Haushalte bundesweit mit sauberem Strom. „Da der Neubau von Wasserkraftwerken in den zurückliegenden Jahren wegen langer Genehmigungszeiten und hoher naturschutzrechtlicher Auflagen fast zum Erliegen gekommen ist, setzen die meisten Betreiber auf das Repowering“, erklärt Priggen, „in der Regel lässt sich durch eine Modernisierung rund 20 Prozent mehr Wasserkraftstrom erzeugen.“

Für ihn ist nicht nur die Förderkappung bei 500 Kilowatt „absolut willkürlich und nicht nachvollzierbar“, sondern auch die Verknüpfung mit den gewässerökologischen Anforderungen nicht sachgerecht (O-Ton: Ab 501 kW Leistung sind Wasserkraftanlagen dann alle ökologisch?): „Die ökologische Verträglichkeit von Wasserkraftanlagen wird bereits von den zuständigen Wasserbehörden auf Basis des Wasserhaushaltsgesetzes und den Landeswassergesetzen geprüft und bewertet. Deshalb hat dieses Kriterium im EEG nichts zu suchen.“ Bei keinem anderen regenerativen Energieträger werde die Erfüllung naturschutzrechtlicher Anforderungen an die Vergütung im EEG verknüpft. „Warum dieser Schritt jetzt erfolgt, ist in keinster Weise nachvollziehbar“, moniert der LEE NRW-Vorsitzende.

Um den Bestand zu sichern und den Ausbau von Wasserkraftwerken als stetigem, gut planbaren Energieträger, der zur Netzstabilität und Versorgungssicherheit beiträgt, zu ermöglichen, fordert der LEE NRW:

  • die komplette Streichung der vorgesehenen Verschlechterungen für die Wasserkraft in der EEG-Novelle;
  • spürbare finanzielle Anreize für die Modernisierung von Bestandsanlagen und den Neubau, und zwar überall da, wo es gewässerverträglich möglich ist.

Diese Forderungen des LEE NRW unterstützt Gunnar Lohmann-Hütte, Geschäftsführer des Stahlunternehmens Friedr. Lohmann GmbH und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Wasserkraftwerke NRW. Der Stahlunternehmer aus Witten betreibt an der Ruhr die bundesweit erste klimaneutrale Stahlgießerei, die einen Großteil ihres Stroms aus einer firmeneigenen Wasserkraftanlage bezieht: „Die Wasserkraft ist seit Generationen eine verlässliche und klimafreundliche Energiequelle für Gewerbe- und Industriebetriebe. So wie wir nutzen viele Betriebe wie Sägewerke oder Unternehmen der Eisen- und Papierverarbeitung die Kraft des Wassers, um die Produkte klima- und umweltfreundlich zu erzeugen. Wenn die EEG-Regelungen so kommen, dann müssen jedoch über kurz oder lang die meisten Wasserkraftanlagen auf den Firmengeländen stillgelegt werden.“

Diese dann absehbare Entwicklung könne nicht im Interesse der Bundesregierung sein, die sich ambitionierte Klimaziele gesetzt hat: „Wir alle wollen mehr Klimaschutz und Versorgungssicherheit und uns zudem unabhängiger von fossilen Energieimporten machen. Da passt es gar nicht ins Bild, dass sich die Bundesregierung von der Wasserkraft verabschieden will“, so Gunnar Lohmann-Hütte.

Es gibt weitere Gründe, die gegen das Förderaus sprechen: Viele Staustufen in den Gewässern können nicht beseitigt werden, da sie wichtig für den Hochwasserschutz oder die Gewässerregulierung sind. Bei Errichtung von Wasserkraftanlagen an diesen Standorten kann das oftmals ungenutzte Energiepotential genutzt werden. In Kombination mit Fischtreppen wird die Durchgängigkeit für die Fische an den Stauwehren hergestellt. Dies ist ein Gewinn für den Klima- und den Naturschutz.