Bilanz 2021: Wasserkraft – NRWs kaum genutzter Energieträger
Im Wasserkraftwerk Olsberg hat der Landesverband Erneuerbare Energien NRW die Bilanz für den landesweiten Wasserkraftausbau im Jahr 2021 präsentiert – eine Bilanz, die äußerst bescheiden ausgefallen ist.
Ein Ausbau der Wasserkraft findet in Nordrhein-Westfalen nicht mehr statt. Im vergangenen Jahr ist lediglich ein kleines Wasserrad mit einer Leistung von drei Kilowatt (oder anders dargestellt: 0,003 Megawatt) neu in Betrieb gegangen. „Das ist der traurige Höhepunkt einer Entwicklung, die wir seit einem Jahrzehnt beobachten“, kommentiert Philipp Hawlitzky, stellvertretender Geschäftsführer des Landesverbandes Erneuerbare Energien NRW (LEE NRW), die jüngsten Zahlen. Bei dieser einen Anlage handelt es sich nicht einmal um einen „echten“ Neubau, sondern vielmehr um die Restaurierung eines Mühlrades an einem jahrhundertealten Standort im Kreis Lippe.
Nach einer Analyse des LEE NRW auf Basis von Zahlen des LANUV NRW und des von der Bundesnetzagentur betreuten Marktstammdatenregisters ist die Wasserkraft-Leistung im Land in den zurückliegenden zehn Jahren um lediglich knapp sechs MW gestiegen. „Wir lassen einen wichtigen erneuerbaren Energieträger ungenutzt, was angesichts der aktuellen politischen Debatte um mehr Unabhängigkeit von Energieimporten völlig unverständlich ist“, so Hawlitzky.
Dabei ist die Wasserkraft in Nordrhein-Westfalen durchaus von Bedeutung: Mit einer installierten Leistung von rd. 495 MW rangiert NRW im Bundesländer-Vergleich hinter Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz auf Platz 4. Die Vielzahl der Betreiber sind regionale Energieversorger, aber auch kleine oder mittelständische Gewerbe- und Industriebetriebe, die zum Teil seit mehreren hundert Jahren mit der Energie des Wassers zuverlässig und verbrauchernah Strom erzeugen. Mit etwa 60 Prozent der gesamten Wasserkrafterzeugung liegt der Regierungsbezirk Arnsberg weit vorne in NRW.
„Die Wasserkraft ist deshalb relevant für die landesweite Energiewirtschaft. Und nicht nur das. Angesichts des verbrecherischen Angriffskriegs von Russland gegen die Ukraine und der damit ausgelösten Diskussion um eine größere Importunabhängigkeit und Energiesouveränität, ist es das Gebot der Stunde, dass die Wasserkraft mehr an Gewicht gewinnen muss“, sagt Philipp Hawlitzky vom LEE NRW, „aufgrund ihrer stetigen und gut planbaren Verfügbarkeit liegt gerade auch die Stromerzeugung aus Wasserkraft im öffentlichen Interesse und dient der öffentlichen Sicherheit.“
Hawlitzky fordert deshalb schnellere und angepasste Genehmigungsverfahren für neue Projekte sowie für Anlagen, die repowert, sprich erneuert werden: „Es kann nicht sein, dass einzelne Investoren bis zu 20 Jahre auf eine Genehmigung warten müssen.“ Für den Wasserkraft-Experten in Reihen des LEE NRW ist es zudem ein Muss, dass künftig an allen Talsperren im Land Strom aus Wasserkraft produziert wird: „Dort gibt es keinerlei Konflikte mit dem Naturschutz und der Gewässerökologie.“ In NRW gibt es 81 Talsperren, im bundesweiten Vergleich ist das der Spitzenwert. An 38 dieser Talsperren in der Eifel und im Sauerland wird bereits die Wasserkraft genutzt. Philipp Hawlitzky: „Es ist also noch viel Potenzial vorhanden. In Kombination mit schwimmenden Solarparks auf den Stauseen der Talsperren kann ein zusätzlicher Beitrag für die Energiewende geleistet werden, da sich Wasserkraft und Solarenergie optimal ergänzen.“
Gute Erfahrungen mit dem Repowering von Wasserkraftwerken haben die Mainzer Stadtwerke gemacht, die seit 2016 mehrere Anlagen im Sauerland an der oberen Ruhr betreiben. „Konkret haben wir bei mehreren Anlagen teilweise die Turbinen verkleinert, um auch in trockenen Zeiten regenerativen Strom erzeugen zu können. Dies führt über das Jahr betrachtet zu einem deutlichen Mehrertrag und einer entsprechenden effizienteren Nutzung des Wasserdargebotes“, berichtet Carsten Weller, der Betriebsleiter der Mainzer Wasserkraftanlagen.
Die Mainzer Stadtwerke haben allerdings nicht nur positive Erfahrungen mit ihren Wasserkraftanlagen in NRW gemacht: „Leider konnten wir an einigen Anlagen Maßnahmen, die maßgeblich dem Fischschutz und der Durchgängigkeit dienen, nur mit starker Verzögerung oder gar nicht umsetzen, da oft pauschale schwer nachvollziehbare Einwände in Verbindung mit langwierigen Genehmigungsverfahren uns immer wieder hindern, sinnvolle Maßnahmen zeitnah umzusetzen“, kritisiert Weller.
Damit künftig in NRW der Bau von neuen Anlagen, aber auch die notwendige Modernisierung von bestehenden Standorten vorangetrieben werden kann, hat der LEE NRW drei Kernforderungen:
- Um die Wirtschaftlichkeit von Wasserkraftwerken zu sichern, müssen bei der anstehenden Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes insbesondere die hohen Kosten für Fischtreppen und den Fischschutz bei der Förderung berücksichtigt werden. Die EEG-Förderung darf auch bei kleinen Wasserkraftanlagen nicht infrage gestellt werden.
- Es muss eine Umsetzung der europäischen Wasserrahmenrichtlinie mit Augenmaß geben. Neben den ökologischen Interessen an den Gewässern müssen die Wasserbehörden auch den Beitrag der Wasserkraft zum Klimaschutz und zur Energiewende angemessen berücksichtigen.
- Unverzichtbar ist eine Vereinfachung und eine Beschleunigung von Genehmigungsverfahren: Die Genehmigung einer Wasserkraftanlage dauert heute oftmals viele Jahre. Selbst für kleine Standorte sind Verfahren von mehr als zehn Jahren keine Seltenheit. Deshalb müssen die Verwaltungsverfahren vereinfacht und beschleunigt werden.
Für den weiteren Wasserkraftausbau im Land hat Philipp Hawlitzky aus der LEE NRW-Geschäftsführung einen Wunsch: „Für die nächsten sechs MW Zubauleistung sollten wir nicht wieder zehn Jahre brauchen.“
Bilanz: Entwicklung der Wasserkraft in NRW
### Eine Pressemitteilung vom Landesverband Erneurbare Energien NRW ###