Wasserkraftnutzung zwischen Ruhr und Weser 2019
Länderübergreifenden Veranstaltung von drei Wasserkraftverbänden in Bad Karlshafen
Nachdem im Jahr 2015 bereits eine gemeinsame Veranstaltung der Arbeitsgemeinschaft Wasserkraftwerke Nordrhein-Westfalen und der Arbeitsgemeinschaft Hessischer Wasserkraftwerke in Brilon stattgefunden hatte, erlebte die Veranstaltung in diesem Jahr eine Neuauflage. Zusätzlich mit ins Boot kam die Arbeitsgemeinschaft Wasserkraftwerke Niedersachsen und Schleswig-Holstein, sodass nunmehr die Verbände aus vier Bundesländern am 28. März 2019 einen gemeinsamen Austausch über die Wasserkraft möglich machten. Hervorragende Unterstützung erfuhren die Verbände dabei durch die EnergieAgentur.NRW, die fachlich und finanziell die Veranstaltung unterstützte.
Am Tag vorher bot sich die Gelegenheit, den Tagungsort Bad Karlshafen am Dreiländereck von Hessen, NRW und Niedersachsen näher kennen zu lernen. So bekamen die Mitglieder einen Einblick in die Geschichte der kleinen Hugenottenstadt. Im Rahmen einer Stadtführung stand der kurz vor der Wiedereröffnung stehende historische Hafen im Fokus. In praktischer Anwendung vorgeführt wurde die Schleusenanlage, die die Überwindung des Höhenunterschieds von Hafenbecken und Weser gestattet. Durch die neue Schleuse und das wieder befahrbare Hafenbecken soll die touristische Attraktivität von Bad Karlshafen gesteigert werden. Im Anschluss an die Stadttour trafen sich die Mitglieder zu einem gemütlichen Beisammensein im Hotel-Restaurant Hessischer Hof. Schon an diesem Abend entwickelten sich gute (Fach-) Gespräche und ein intensiver Austausch.
Status quo und Bedeutung der Wasserkraft
Am nächsten Tag begann die eigentliche Tagung. In seiner Begrüßung vor den rund 130 TeilnehmerInnen verdeutlichte Dr. Helge Beyer, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Hessischer Wasserkraftwerke, dass die Wasserkraft aufgrund ihres hohen Wirkungsgrades, ihrer Stetigkeit und Langlebigkeit einen wichtigen Beitrag zum Klima- und Ressourcenschutz leistet. Insbesondere die Grundlastfähigkeit macht sie zu einem unverzichtbaren Bestandteil des Erneuerbare-Energien-Mixes. Moderne Wasserkraft ist dabei ökologisch hoch verträglich und fischfreundlich. Dr. Beyer forderte daher alle Akteure dazu auf, diese Vorteile noch besser zu kommunizieren. Anschließend ging Prof. Dr.-Ing. Stephan Theobald, Leiter des Fachgebiets Wasserbau und Wasserwirtschaft an der Universität Kassel, auf die internationalen Entwicklungen und Herausforderungen der Wasserkraft ein. Weiter ging Prof. Theobald anhand von Beispielen auf Möglichkeiten zur ökologischen und ökonomischen Verbesserung von bestehenden Anlagen und Neubauten ein. Hierbei wies er darauf hin, dass durch eine Veränderung des vor einer Wasserkraftanlage befindlichen Flussbetts oftmals bereits ein erleichterter Fischauf- bzw. -abstieg möglich ist.
Wasserkraft als öffentliches Interesse
Im Anschluss erläuterte Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Vizepräsident der EU-Vereinigung für erneuerbare Energien (EUROSOLAR), Dr. Fabio Longo, in seinem Vortrag die rechtlichen Aspekte der Wasserkraftnutzung. Dr. Longo zeigte anhand zahlreicher gesetzlicher Bestimmungen auf, dass an der Nutzung Erneuerbarer Energien sowie der Wasserkraft ein öffentliches Interesse besteht. Neben dem Erneuerbare-Energien-Gesetz sind auch im Baugesetzbuch, im Bundesnaturschutzgesetz und im Raumordnungsgesetz Regelungen enthalten, die ein öffentliches Interesse an der Wasserkraft bestimmen. Auch auf die ökologischen Vorteile von Kleinwasserkraftanlagen wies Dr. Longo hin. So förderten kleine Ausleitungskraftwerke den Rückhalt von Wasser und Böden in der Landschaft, verbesserten das Mikroklima vor Ort und die Reproduktion von Fischen. Diese ökologischen und weit über das persönliche Interesse des einzelnen Betreibers hinausgehenden Vorteile drohen durch den Vollzug des Mindestwassererlasses der hessischen Landesregierung zunichte gemacht zu werden. Die mit dem Mindestwassererlass verfolgte Verbesserung des ökologischen Gewässerzustands sei jedoch nur ein Aspekt von vielen, die bei der Bewertung der ökologischen Vor- und Nachteile von Wasserkraftanlagen berücksichtigt werden müssten. Da die Gewässer im Spannungsfeld vielfältiger Aufgaben und Funktionen stehen, sei eine einseitige Betrachtung der gewässerökologischen Belange nicht zielführend.
Wasserkraft und Gewässerökologie
Die Anforderungen der Gewässerökologie steigen stetig. Auflagen zur Gewässerdurchgängigkeit und zum Fischschutz setzen die Anlagenbetreiber jedoch unter hohen wirtschaftlichen Druck. Wichtig ist hierbei eine Ausgewogenheit zwischen Ökologie, Klimaschutz und Energieversorgung. Dementsprechend großen Raum nahmen daher Vorträge über Projekte und Maßnahmen zur Verbesserung der Fischwegigkeit bzw. des Fischmonitorings ein. Rita Keuneke stellte die Arbeit der DWA-Arbeitsgruppe „Fischschutz- und Fischabstiegsanlagen“ vor. Da viele Forderungen nach weiteren, kostspieligen Auflagen und Umbauten aktuell auf Annahmen beruhen und es nur bedingt praxistaugliche technische Lösungsansätze bzw. Standards gibt, bereitet die Arbeitsgruppe gerade ein Regelwerk für den Fischschutz und Fischabstieg vor. An der Erstellung sind interdisziplinär Betreiber von Wasserkraftanlagen, Biologen, Ingenieurbüros und weitere Wissenschaftler sowie Angehörige von NGOs und Behörden beteiligt. Mit dem Regelwerk soll zum einen der aktuelle Stand der Technik dargestellt, zum anderen durch Erfahrungen gewonnene neue Lösungsansätze verbreitet werden.
Till Schneider von der Innogy SE stellte das umfangreiche biologische und betriebliche Monitoring am Standort Unkelmühle an der Sieg, einem Zufluss des Rheins, vor. Ziel des Projektes war, Erkenntnisse über den Betrieb und die Funktionsfähigkeit der verschiedenen Einrichtungen zum Fischschutz und -abstieg zu gewinnen. Dabei sollte ein möglichst ausgewogener Kompromiss zwischen bestmöglichem Fischschutz und geringstmöglicher Energieeinbuße erzielt werden. Im Rahmen der Vorstellung der Ergebnisse schilderte Till Schneider, dass der 10 mm-Feinrechen über alle drei Versuchsjahre einen vollständigen Schutz (keine Rechenpassagen) für die Zielarten Lachs und Aal darstellte. Die Gesamtschutzrate an der Wasserkraftanlage lag für die Lachssmolts bei 90 bis 97 % und für die Blankaale bei 92 bis 100 %. Er machte jedoch auch deutlich, dass bei einem Feinrechen eine leistungsstarke Rechenreinigung essentiell sei.
Beispiele aus der Praxis
Nach der Mittagspause schlossen sich die für viele Anlagenbetreiber wichtigen Praxisbeispiele an. Ein solches Projekt stellt die Sanierung des Lahnwehrs bei Lollar dar. Die Steinhoff Energieanlagen GmbH kaufte das „Buderuswehr“ genannte Querbauwerk, das in seiner Durchgängigkeit den Anforderungen der Wasserrahmenrichtlinie nicht mehr entsprach und baute eine den aktuellen gesetzlichen, ökologischen und ökonomischen Anforderungen entsprechende Wasserkraftanlage. Max Friedrich von dem Planungsbüro erläuterte die Umbaumaßnahmen und beschrieb, wie in der Anlage Strom erzeugt wird. Zwei generalüberholte Francisturbinen mit 250 kW Leistung erzeugen etwa 1,1 Millionen kWh Strom, der ins öffentliche Netz eingespeist wird. Damit werden jährlich etwa 316 Haushalte mit Strom versorgt und 1073 Tonnen Braunkohle eingespart. Zahlen, die den Wert jeder einzelnen Wasserkraftanlage verdeutlichen.
Die seit 2017 in Betrieb befindliche Anlage wird regelmäßig von Schulklassen besucht, die sich vor Ort ein Bild über die Stromerzeugung machen können. Durch die Anlage hat sich auch die ökologische Situation der Lahn verbessert, weil nun durch einen Fischaufstieg in Form einer Fischtreppe die Fische wieder auf- und abwärts wandern können.
Anschließend stellte Betreiber Johannes Lücking den Standort Wöbbel an der Emmer vor. Im Rahmen des Baus einer Fischtreppe am Ausleitungswehr hat er zusätzlich eine Restwasserkraftschnecke mit einer Leistung von 60 kW realisiert. Der Einbau der Schnecke war sinnvoll, da der Fischaufstieg ohne gelenkte Lockströmung wenig erfolgsversprechend gewesen wäre. Zusätzlich kann somit der Fischabstieg über die Schnecke erfolgen. Der Fischtreppe konnte mit Fertigbetonteilen sehr kostengünstig gestaltet werden. Um auch schwimmschwachen Fischen den Aufstieg zu ermöglichen, wurde sie bewusst sehr lang und flach angelegt.
Gunnar Lohmann-Hütte, Vorsitzender der AG Wasserkraftwerke NRW, betonte in seinem abschließenden Schlusswort, dass bei der Modernisierung von Wasserkraftstandorten auch die Fischdurchgängigkeit hergestellt und der notwendige Fischschutz berücksichtigt wird. Wichtig sei es jedoch, dass Anlagenbetreiber und Verwaltungen sowie Planer und Hersteller gemeinsam Lösungen finden, die sowohl wirtschaftlichen als auch ökologischen Anforderungen gerecht werden.
Besichtigung des Wasserkraftwerkes Diemelmühle
Die Veranstaltung endete mit einer Exkursion zum Diemelkraftwerk, das die Ernst Malzfeldt KG in Bad Karlshafen betreibt. In der ab 2011 modernisierten Wasserkraftanlage laufen zwei Turbinen, von denen die ältere im Jahr 1917 von der Firma Voith gebaut wurde. Im Jahr 2011 wurde ein Fischaufstieg angelegt, 2015 wurde das Kraftwerk um eine Wasserkraftschnecke erweitert. Damit kann eine energetische Nutzung des Restwassers erfolgen und die Restwassermenge kontrolliert werden. Gewissermaßen nebenbei wurde hierdurch auch ein Fischabstieg geschaffen. Betreiber Dr. Wolfram Malzfeldt zeigte nicht nur bei der stetigen Optimierung des Diemelkraftwerks sein hohes Engagement für die Wasserkraft. Als Mitglied der Wasserkraftverbände in Hessen, NRW und Niedersachsen hat er durch seine intensive Unterstützung vor Ort maßgeblich zum Erfolg der Fachveranstaltung beigetragen.