Mitgliederversammlung und Fachaustausch Wasserkraft NRW 2022

15. September 2022 | Veranstaltung

Am 15. September 2022 kamen die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Wasserkraftwerke NRW sowie weitere Betreiber und Unternehmen aus der Wasserkraftbranche im ostwestfälischen Schieder-Schwalenberg zusammen, um den aktuellen Stand der Wasserkraftnutzung in NRW zu diskutieren. Bereits am Abend vor der Veranstaltung gab es eine Führung am Schieder See durch den Betriebsbeauftragten der Staumauer vom Kreis Lippe. Besichtigt wurden die Umflut, die Stauanlage sowie das stillgelegte Kraftwerk. Die drei Kilometer lange Umflut wurde errichtet, um das Fließgewässer Emmer am See vorbeizuführen, damit keine Flusssedimente in den See gelangen und dieser verlandet. Im Zuge dieser Umleitung des Flusses wurde die bestehende Wasserkraftanlage leider stillgelegt. Der Schieder See soll weiterhin seine Hochwasserrückhaltefunktion erfüllen. Im Anschluss an die Besichtigung trafen sich die Mitglieder zu einem gemütlichen Beisammensein mit interessanten (Fach-) Gesprächen im Restaurant SeeTerrassen.

Wasserkraft im überragenden öffentlichen Interesse

Am nächsten Tag begann die Veranstaltung zunächst mit dem Versammlungsteil und den verbandsinternen Tagesordnungspunkten. Danach eröffnete Gunnar Lohmann-Hütte, Vorsitzender der AG Wasserkraftwerke NRW, den öffentlichen Fachaustausch und berichtete in seiner Begrüßung über die beabsichtigten Verschlechterungen im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), wie etwa die geplante Streichung der Förderung von neuen und modernisierten Wasserkraftanlagen bis 500 Kilowatt. Völlig unverständlich sollte der stabilen und zuverlässigen Wasserkraft im EEG buchstäblich der Stecker gezogen werden. Und dies, obwohl in der jetzigen Energie- und Versorgungskrise jede heimische und regenerative Kilowattstunde wichtig ist und dazu beträgt, unabhängiger von fossilen Energieimporten aus Russland zu werden und die Folgen des Klimawandels abzumildern. Über vielfältige Aktivitäten – wie etwa einer gemeinsamen Erklärung mit 40 Verbänden und Organisationen – hat sich der Verband zusammen mit den anderen Wasserkraftverbänden in Deutschland intensiv dafür eingesetzt, dass die beabsichtigten Regelungen wieder zurückgenommen werden.

Neben der Streichung der verschlechterten EEG-Förderbedingungen war es weiterhin ein Erfolg, dass auch die Wasserkraft mit dem neuen EEG im „überragenden öffentlichen Interesse steht und der öffentlichen Sicherheit dient“. Lohmann-Hütte betonte, dass dies die Wasserkraft bei den Abwägungs- und Ermessensentscheidungen der Behörden mit den anderen Belangen wie Naturschutz und Denkmalschutz stärkt und forderte zugleich eine Aufwertung der Wasserkraft im wasserrechtlichen Vollzug durch die Genehmigungsbehörden. Er machte jedoch auch deutlich, dass die Wasserkraft trotz dieser jüngsten positiven Entwicklungen nach wie vor unter Druck steht. So haben etwa die nationale Wasserstrategie oder die Erneuerbare-Energien-Richtlinie auf europäischer Ebene nicht nur das Potenzial, den Neubau von Anlagen und die notwendige Modernisierung von bestehenden Standorten zu verhindern, sondern mittel- bis langfristig auch den kompletten Anlagenbestand zu gefährden. Die Umwelt- und Fischereiverbände lassen nicht locker und finden dabei Gehör, sowohl in der Politik als auch in den Ministerien.

Wasserkraft spielt bei der Energiewende eine wichtige Rolle

Im Anschluss berichtete Christian Mildenberger, Geschäftsführer des Landesverbandes Erneuerbare Energien NRW, über die aktuellen energiepolitischen Entwicklungen aus Düsseldorf und Berlin. So zeigte er sich erfreut über den Koalitionsvertrag der neuen schwarz-grünen Landesregierung, da alle Formen der Erneuerbaren Energien adressiert sind und zwar in einer guten und progressiven Weise. Mildenberger hob hervor, dass die Wasserkraft in NRW nach dem Willen der Landesregierung weiter eine Rolle spielen soll. Laut Koalitionsvertrag sei es das Ziel, Wasserkraftstandorte unter ökologischen Aspekten weiterzuentwickeln und Betreiber dabei zu unterstützen und zu fördern, die Gewässer nachhaltig zu nutzen. Zudem soll an möglichst allen bestehenden Talsperren in NRW die Kraft des Wassers für die Energieversorgung nutzbar gemacht werden.

Intelligente Steuerung von Wasserkraftanlagen als Alternative zum Feinrechen

Im Folgenden stellte Dr. Andreas Hoffmann, Dipl.-Biologe und Sachverständiger vom Büro für Umweltplanung, Gewässermanagement und Fischerei (BUGeFi), ein Tool für die fischverhaltensbezogene Steuerung von Wasserkraftanlagen Steuerung von Wasserkraftanlagen in Bezug auf Fischwanderungen vor. Ziel des Projektes ist es, einen an das Wanderverhalten von Fischarten optimierten Betrieb von Wasserkraftanlagen zu etablieren, um somit das Verletzungs- und Mortalitätsrisiko für flussabwärts wandernde Fische zu minimieren bzw. auszuschalten. Das bereits zur Anwendungsreife gebrachte Prognosetool wird mit Echtzeitdaten geprüft und aktuell an den Kraftwerksstandorten Baldeney und Kemnade an der Ruhr validiert.

Dr. Hoffmann schilderte in seinem Vortrag, dass Fischwanderungen Regeln folgen und die unterschiedlichen Fischarten bestimmte Wanderzeiträume haben. Einfluss auf die unterschiedlichen Wanderaktivitäten (z.B. Nahrungswanderung, Laichwanderung, Überwinterungswanderung) haben beispielsweise die Wassertemperatur, der Abfluss, die Jahreszeit, die Wassertrübung, die Bewölkung aber auch die Mondphase. In dem Forschungsprojekt wurde sodann ein Messnetz aus Low Cost Sensoren im Bereich der Monitoringstandorte zur Erhebung der abiotischen Parameter Temperatur und Durchfluss aufgebaut. Diese Parameter wurden mit Wanderungsbewegungen von Fischen zusammengeführt und bestimmte Schwellen- bzw. Grenzwerte definiert, ab denen mit hohen Wanderaktivitäten zu rechnen ist.

Die (kleine) Wasserkraft nach der EEG-Novelle

Als Nächstes berichtete der Geschäftsführer der AG Wasserkraftwerke NRW, Philipp Hawlitzky, detailliert über die geplanten Änderungen im Osterpaket und fasste den Beschluss des Bundestages zusammen. So bleibt es bei der geltenden Rechtslage in § 40 Abs. 1 und 2, nach der auch Strom aus neuen und modernisierten Wasserkraftanlagen bis 500 kW weiter gefördert werden kann. Zudem wird die Förderung nicht wie zunächst beabsichtigt eingestellt, wenn die Wasserkraftanlagen die wasserrechtlichen Anforderungen nach §§ 33-35 WHG nicht einhalten. Auch ein gesonderter Nachweis der Einhaltung dieser Kriterien ist nicht erforderlich. Sodann gilt das überragende öffentliche Interesse nach § 2 EEG auch für die Wasserkraft und es erfolgt keine Relativierung im Wasserhaushaltsgesetz. Die Degression der Vergütung bleibt jedoch bestehen, sodass der anzulegende Wert für Wasserkraftanlagen bis zu einer Bemessungsleistung von 500 Kilowatt ab dem 1.1.2023 auf 12,03 ct/kWh absinkt.

Poollösung für die Direktvermarktung von Wasserkraftstrom

Nach der Mittagspause stellte Hubert Verbeek, Betreiber und stellvertretender Vorsitzender der AG Wasserkraftwerke NRW, eine Poollösung für die gemeinschaftliche Vermarktung von Wasserkraftstrom vor. Der Hintergrund ist der, dass gerade kleine Anlagen bisher kaum Möglichkeiten hatten, von den steigenden Strompreisen zu profitieren. Die Idee ist, dass sich Betreiber unabhängig vom EEG aufstellen können, ohne die (aktuell noch vorhandene) Sicherheit des EEG zu verlieren. Die derzeit günstige Marktlage ermöglicht zudem Gespräche mit Direktvermarktern, die es bisher nicht gegeben hat.

Das Handicap von kleinen Wasserkraftanlagen war bisher, dass unter anderem die technischen Anforderungen für das EEG-Marktprämienmodell mit Kosten verbinden sind und die Stromhändler zudem lange Zeit kein Interesse an kleinen Mengen und kleinen Anlagen hatten. Durch den Zusammenschluss mehrerer Anlagen kann hingegen insgesamt mehr Wasserkraftstrom bereitgestellt werden, es verbessert die Planungssicherheit und bietet zudem eine bessere Verhandlungsposition gegenüber den Direktvermarkter hinsichtlich des Preises und der Vertragsgestaltung.

In einem Pilotprojekt nehmen drei Betreiber mit vier Anlagen teil, die seit August ihren Wasserkraftstrom an ein EVU zum Festpreis von 23,5 ct/kWh für 12 bis 18 Monate vermarktet haben. Eine Besonderheit ist, dass dieser Anlagenpool seinen Strom unabhängig vom Börsengeschehen vermarktet und sichere Erlöse weit oberhalb der EEG-Vergütungen für mehr als ein Jahr gewährleistet. Auch kleine Anlagen mit einer Jahreserzeugung von rund 50.000 kWh sind in diesem Pool.

Versicherungsschutz beim Betrieb von Wasserkraftanlagen

Michael Brand von der HDI Agentur Brand OHG ging in seinem Vortrag auf die Risiken beim Betrieb von Wasserkraftanlagen ein und wie man sich gegen diese am besten versichern kann. Dabei veranschaulichte er die erforderlichen Versicherungen für den Betrieb von Wasserkraftanlagen. Bei der vorgestellten Compakt-Police können unterschiedliche Bausteine für einen passenden Versicherungsschutz zusammengestellt werden. Der Vorteil ist, dass der Betreiber nur noch eine Police mit einem Bedingungswerk hat, statt mehrere Verträge mit unterschiedlichen Selbstbeteiligungen, Fälligkeiten und Vertragslaufzeiten.

Erweiterung von Wasserkraft mit gleichzeitiger Herstellung der ökologischen Durchgängigkeit

Zum Abschluss der Fachvorträge stellte Betreiber Johannes Lücking den Standort Wöbbel an der Emmer vor. Im Rahmen des Baus einer Fischtreppe am Ausleitungswehr hat er zusätzlich eine Wasserkraftschnecke mit einer Leistung von 60 kW realisiert. Der Einbau der Schnecke war sinnvoll, da der Fischaufstieg ohne gelenkte Lockströmung wenig erfolgsversprechend gewesen wäre. Zusätzlich kann somit der Fischabstieg über die Schnecke erfolgen. Der Fischtreppe konnte mit Fertigbetonteilen sehr kostengünstig gestaltet werden. Um auch schwimmschwachen Fischen den Aufstieg zu ermöglichen, wurde sie bewusst sehr lang und flach angelegt.

Kleine Wasserkraft ganz groß

Im Anschluss wurden zwei Wasserkraftstandorte besichtigt. Betreiber Mirco Stork führte durch die Mühle Beckmeier in Schieder-Schwalenberg. Die kleine historische Wasserkraftanlage versorgt zusammen mit einer PV-Anlage, zwei Wärmepumpen und einem Batteriespeicher zwei Einfamilienhäuser zu 98 Prozent mit Strom und Wärme. Die Francis-Spiralturbine wurde im Jahr 2015 auf den neuesten Stand gebracht. Danach konnte die Wasserkraftschnecke Wöbbel an der Emmer besichtigt werden, die zuvor schon mit einer Präsentation während des Fachaustausches vorgestellt wurde.