Mitgliederversammlung und Fachaustausch Wasserkraft NRW 2018

13. September 2018, Paderborn

Am 13. September kamen die Mitglieder der AG Wasserkraftwerke NRW sowie weitere Betreiber und Unternehmen aus der Wasserkraftbranche in Paderborn zusammen, um den aktuellen Stand der Wasserkraftnutzung in NRW zu diskutieren. Der Fachaustausch fand unter Mitwirkung der EnergieAgentur.NRW statt.

Systemintegration von Erneuerbaren Energien

Nach der internen Mitgliederversammlung berichtet im Fachaustausch Wasserkraft NRW zunächst Johannes Lackmann, Geschäftsführer der WestfalenWIND GmbH, über intelligente Lösungen zur Systemintegration der Windenergie. Die WestfalenWIND-Gruppe baut und betreibt regionale Windparks und Umspannwerke mit einer installierten Leistung von derzeit etwa 300 MW (140 Windkraftanlagen). Neben diesem klassischen Geschäftsfeld sind weitere im Aufbau. So hat das Unternehmen zusammen mit anderen Partnern im Forschungsprojekt „Power to Heat OWL“ eine technisch einfach zu übertragende Möglichkeit entwickelt, um bestehende elektrische Heizsysteme in Privathaushalten zeitlich zu flexibilisieren und an die schwankende Stromproduktion aus Erneuerbaren Energien anzupassen. So kann grüner Überschussstrom sinnvoll genutzt und das Stromnetz entlastet werden.

In einem weiteren Projekt plant das Unternehmen eine direkte Anbindung eines Windparks an einen großen Autozulieferer durch den Bau einer eigenen 8 km langen Kabeltrasse. Durch diese Direktbelieferung kann einerseits der Windpark auch nach Auslaufen der EEG-Förderung weiter betreiben werden und andererseits der Großverbraucher von günstigen Strompreisen profitieren.

Im bereits laufenden Projekt „WindCORES“ werden stromintensive Rechenzentren direkt in den Turm einer Windkraftanlagen errichtet. Neben dem nötigen Platz bieten die Windräder die erforderliche Infrastruktur unter anderem durch die Netzanbindung und die bestehende Internetverbindung über Glasfaser und Direktfunk. Die eingebauten Server werden durch echten Grünstrom direkt aus dem Generator der Windkraftanlage versorgt.

Aktuelles zur Wasserkraftnutzung

Stefan Prott, Leiter des Netzwerks Wasserkraft der EnergieAgentur.NRW, berichtet über aktuelle Entwicklungen der Wasserkraftnutzung in Nordrhein-Westfalen. Zunächst stellt er die Förderrichtlinie progres.nrw „Programm Markteinführung Wasserkraft“ vor und erläutert, dass ein Nachweis über die Stromgestehungskosten erbracht werden muss, um die Lücke zwischen EEG-Förderung und Stromgestehungskosten aufzuzeigen. Ein entsprechender Lückenschluss sei über die Landesförderung progres.nrw möglich. Da im Jahr 2017 aus unterschiedlichen Gründen nur wenige positive Bescheide von der Bezirksregierung Arnsberg – als Bewilligungsbehörde für ganz NRW – ausgegeben wurden, motiviert er die Betreiber dazu Anträge zu stellen, sofern Projekte in Planung sind. Zudem berichtet Herr Prott, dass die Förderrichtlinie von der de-minimis-Förderung freigestellt ist und Ersatz- oder Reparaturmaßnahmen nur bei entsprechender Leistungssteigerung förderfähig sind. Hinsichtlich der Einzelheiten zur Förderung verweist er auf die Webseite der Bezirksregierung Arnsberg.

Im Anschluss stellt er mit der Förderrichtlinie HWRM & WRRL ein zweites aktuelles Förderinstrument in NRW vor. Über diese Förderrichtlinie zuwendungsfähig sind u.a. auch wasserbauliche Maßnahmen zur Verbesserung der Gewässerdurchgängigkeit. Mit Zuschüssen von 40 bis 80 % der zuwendungsfähigen Kosten sei diese Förderung grundsätzlich interessant für Betreiber, die gewässerökologische Maßnahmen planen. Wie auch bei dem Programm progres.nrw macht er aber auch hier deutlich, dass in der Praxis viele Detailfragen zu klären sind und es Schwierigkeiten gibt.

Des Weiteren erläutert Herr Prott den aktuellen Stand und wesentliche Erkenntnisse des telemetrischen Monitorings von abwandernden Lachs-Smolts und Blankaalen an innovativen Wasserkraftstandorten.

Aktuelle Rechtsprechung

Nach der Mittagspause informiert Dr. Stefan Cuypers, Geschäftsführer des Industrie Wasser Umweltschutz e.V. und Vorstandsmitglied der AG Wasserkraftwerke NRW, über die gewässerökologischen Anforderungen an Wasserkraftanlagen und gibt Einblicke in die aktuelle Rechtsprechung anhand von drei Beispielen.

Im ersten Fall stellt Herr Dr. Cuypers einen Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 09.01.2018 vor, bei dem ein wasserrechtliches Altrecht nachträglich beschränkt wurde. Der Kläger hatte sich gegen Anordnungen zur Errichtung einer Fischaufstiegs- und Fischabstiegsanlage (nebst Fischschutz) bei seiner Triebwerksanlage gewendet. Herr Dr. Cuypers macht anhand des Falles deutlich, dass die Einschränkung von Altrechten grundsätzlich möglich ist, diese aber verhältnismäßig sein muss. So seien die Anforderungen an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerade bei der nachträglichen Einschränkung eines Altrechts höher als bei der Neuerteilung einer Bewilligung.

Im Folgenden erläutert Herr Dr. Cuypers die Rechtswidrigkeit gewässerökologischer Anordnungen wegen mangelnder Verhältnismäßigkeit bei alten Wasserrechten. Im konkreten Fall hatte der Kläger sich als Betreiber einer Wasserkraftanlage (mit alten Wasserrechten) gegen eine Anordnung zur Herstellung der gewässerökologischen Durchgängigkeit gewendet. Das VG Meiningen hat mit Urteil vom 24.04.2018 entschieden, dass der Bescheid der Behörde rechtwidrig ist, da im Rahmen der Verhältnismäßigkeit insbesondere die wirtschaftliche Situation und der Vertrauensschutz zu berücksichtigen sind.

Gegenstand des Verfahrens im dritten Fall war eine Klage eines Umweltverbandes gegen den Planfeststellungsbeschluss zur Errichtung eines Wasserkraftwerks an der Lahn. Herr Dr. Cuypers berichtet, dass der Kläger u.a. mangelnde Maßnahmen zum Schutz der Fischpopulation und einen diesbezüglichen Verstoß gegen das wasserrechtliche Verschlechterungsverbot geltend machte. Das OVG setzte daraufhin das Verfahren bis zu einer EuGH-Entscheidung über Fragen zur Auslegung der WRRL aus. Nachdem der EuGH am 1.7.2015 entschieden hatte, besserte der Investor den Fischschutz durch Planergänzung nach. Auf Basis der Planfeststellungsergänzungsbeschlusses hat das OVG Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 08.11.2017 die Klage nunmehr abgewiesen. Ein Verstoß gegen das wasserrechtliche Verschlechterungsverbot sei nicht erkennbar. Maßgeblich sei insofern die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts. Davon ausgehend sei durch die vorgesehenen Schutzmaßnahmen eine weitere Erhöhung der natürlicherweise sehr hohen Sterblichkeit im Frühstadium der Fischarten und damit eine Verschlechterung der biologischen Qualitätskomponente Fischfauna nicht zu erwarten.

Zum Abschluss macht Herr Dr. Cuypers deutlich, dass der geplante Erlass des NRW-Umweltministeriums zur Untersagung des Baus von Wasserkraftanlagen an bestehenden Querbauwerken in Zielartengewässern für den Lachs angesichts der aktuellen Rechtsprechung des OVG Rheinland-Pfalz überflüssig und restriktiv sei. Hierdurch würden in NRW strengere Anforderungen als in anderen Bundesländern gelten.

Praxisbeispiel denkmalgeschützte Wassermühle

Abschließend stellt Willi Ernst, Vorstandsmitglied der BIOHAUS-Stiftung, vorbildliche Lösungen bei der Reaktivierung einer denkmalgeschützten Wassermühle vor. Er berichtet, dass die Stümpelsche Mühle am Zusammenfluss der sechs Paderarme zum Stiftungszentrum umgebaut wurde. Die Nutzung der Wasserkraft an der Stümpelschen Mühle hat eine lange Tradition, da die unterschlächtige Mühle bereits 1810 gebaut wurde. Nachdem das alte Holzrad durch eines aus Eisen ersetzt worden war, wurde das Mühlrad im Sommer 2014 reaktiviert. Jedoch klagten die Nachbarn über die Klappergeräusche des Mühlerades, so dass das Rad nach kurzer Zeit wieder stillgelegt wurde. Zunächst wurde daher das Mühlrad nachts abgeschaltet und eine Schallschutz-Einhausung installiert. Eine optisch unauffälligere Lösung wurde dann jedoch gemeinsam mit der Uni Kassel durch die Einsatz von Borstenelemente für die Schaufeln des Wasserrads gefunden, die die Strömung verringern, sodass die Geräuschentstehung reduziert wird. Herr Ernst zeigt sich zufrieden, dass durch die innovative Lösung weiterhin Energie erzeugt und zudem die Wohnansprüche der Anwohner berücksichtigt werden können. Die Einhausung des Mühlenrades konnte daher zurückgebaut werden.

Im Anschluss an die Vorträge schließt sich der Exkursionsspaziergang entlang der Pader mit Besichtigung von drei Wasserkraftstandorten an. Am ersten Stopp wird das Funktionsmodells der historischen Wasserkunst im Paderquellgebiet erläutert. Danach geht es zur Reineke-Mühle der Firma Reineke-Brot, bei der ein Teil des Energiebedarfes bei der Brotherstellung durch zwei Wasserkraftturbinen abgedeckt wird. Letzter Standort ist die Stümpelsche Mühle, an der das Wasserrad in jüngerer Zeit erneuert wurde.